Wüste ist nicht nur ein geografisches Phänomen, das Millionen von Touristen anlockt, sondern eine Metapher, die in der Literatur und in den Religionen eine bedeutende Rolle spielt: Im Christentum ist sie Ort der Entscheidung; sie ist ein Ort des Heils, wenn Gott dem Moses in der Wüste im Dornbusch erscheint; das Volk Israel wandert entsprechend den alten Geschichten 40 Jahre durch die Wüste; Jesus zieht sich öfters in die Wüste zurück, um zur Ruhe zu kommen und zu beten.
Das alles erschließt sich nicht bei einem kurzen Besuch, gibt aber eine leise Ahnung von der Kraft der Wüste.
Karim, der Herr über die Bewässerungskanäle, erklärt ihre Funktion. Stollen transportieren das Wasser, vor Verdunstung geschützt, von Quellen zu den entfernten Felder. Heute jedoch sind viele der Kanäle ausgetrocknet.
Kanalreinigung mit Korb
Auf dem Markt, Gemüse in aller Form und überhaupt, was man zum Leben braucht.
Inmitten einer heißen, kargen Umwelt baut er sich sein Haus, das vielleicht einmal ein Hotel werden soll. Er zeigt uns die beiden Kaminzimmer, die Bäder, die Zimmerdecken, die schon jetzt ein Gefühl der Gastlichkeit verbreiten, obwohl auf der anderen Seite noch die Backsteine und Hohlblöcke bereitliegen und von der Treppe, die einmal ins Obergeschoss führen soll, nur eine unscheinbare Vorzeichnung an der Wand zu erkennen ist. Fast alle Werkzeuge sind wohl von ihm selber gemacht: ein kleiner Lastenaufzug, eine Leiter, deren Sprossen viel zu weit auseinander angeordnet sind und die er mit geschäftiger Ruhe erklimmt, um die Körbe mit Zement nach oben zu bringen. Vielleicht ist das Gespräch für ihn eine willkommene Pause, um mit neugierigen Europäern reden: Wie schön ist es, eine wirkliche Aufgabe zu haben und sie erfüllen zu können. Das gilt hier in der Schlucht genauso wie im Kraichgau.
Architekt, Bauherr, Hotelmanager
Ist das Abraham aus der Bibel, der seine Herde in der Dades-Schlucht weidet? Klingt unwahrscheinlich? Es wird ja schließlich davon nichts in der Bibel erzählt. Wenn man sich aber die Wanderwege Abrahams anschaut, von Ur im alten Mesopotamien, über Haran nach Sichem, dann nach Ägypten und wieder zurück, dann sieht man, dass er nicht sesshaft sein konnte und vielleicht noch weitere Reisen gemacht hat, an den westlichen Rand der Welt.
Ich bin sicher: Er war Abraham, mit seiner kleinen Herde.
Um höher zu zu kommen, muss man manchmal die Richtung wechseln.
Und man sollte mit seinem Auto nicht in den Abgrund stürzen.
Alle Handybesitzer sollten verstehen, dass man ein Gebirge schlecht aufs Display zwängen kann: Das Bildchen ist nur ein Entwurf des Entwurfs einer Schlucht, deren Dimension unfassbar ist und nur noch von der gigantischen Schönheit der Landschaft übertroffen wird.
Es lohnt sich, die Bilder am PC zu sehen, auf einem großen Bildschirm.
Das satteste Grün in einer stein-braunen-blauen Umgebung: Das Wasser und die Kunst der Menschen ermöglichen das Leben. Der Klimawandel ist auch hier angekommen: Das Wasser versiegt zusehends. Wird unser Bauherr irgendwann Gäste begrüßen können?
Zwei junge Palmen im Vordergrund, dahinter fünf abgestorbene Palmen, dann ein schöner Palmenhain und im Hintergrund eine wasserlose Gebirgswand unter blauem Himmel. Nichts Besonderes. Beim zweiten Blick aber entdeckt man aber zwischen den Bäumen 15 Fotovoltaik-Paneele. Fotovoltaik in der Oase? Wozu um alles in der Welt braucht man das?
Seit Jahren regnet es hier und in der ganzen Gegend viel zu wenig. Die Palmen verdursten und die Neupflanzungen können nur überleben, wenn sie bewässert werden. Die Fotovoltaik liefert den Strom für die Pumpen. Sicher ist, dass wir hier ganz deutlich die Auswirkungen des Klimawandels sehen.
Fotovoltaik unter Palmen: Deutlicher kann die Energiewende Marokkos nicht beschrieben werden, eines Landes, das aufgrund der großen Anstrengung die Ziele der Energiewende (mit der Unterstützung vieler deutscher Firmen) erreichen wird. Man denke nur an die Sonnenkraftwerke Noor I-IV. Wenn es da Probleme gibt, rufen sie nach Lösungen, nicht nach Jammern
Ein Wegweiser zu einer Kirche in einem moslemischen Land? Ja, das Schild führt zur Église de Sainte Thérèse. Und auch dieses Schild spiegelt einen der großen Konflikte der Welt. Leider habe ich es zu spät gesehen, um die Kirche noch besuchen zu können. Ob es eine 2. Chance gibt?
__________________
Ein ähnliches Thema:
Eine große Gestalt der (kath.) Kirchengeschichte lebte auch hier in dieser Region und in Algerien: Charles de Foucault. Es war eine äußerst wilde und in jeder Hinsicht radikale Lebensgeschichte: vom Lebemann zum asketischen Mönch, vom Egoisten zum Gemeinschaftsmenschen, vom Soldaten zum Friedensstifter. Er war von allen geschätzt, ein Freund der Tuareg, und wurde von einem Fanatiker ermordet. Seine Gedanken leben bis heute weiter in den religiösen Gemeinschaften der »Kleinen Brüder und Schwestern Jesu«.
Nach dem Tag mit den vielen Gedanken und beim Betrachten der prächtigen Palme im Abendlicht kommt mir Günter Eich in den Sinn:
Ende eines Sommers
Wer möchte leben ohne den Trost der Bäume! Wie gut, daß sie am Sterben teilhaben!
Eine Kashbah ist eine Art von Lehmburg, eine Art von befestigtem Dorf, das bis heute bewohnt und instand gehalten wird. Dunkle, enge, oft überdachte Gassen erscheinen wie ein Irrgarten. Im Sommer wird die Hitze abgehalten, im Winter speichert der Lehm die Wärme. Es ist kaum zu glauben: Hinter diesen Mauern leben viele Menschen.
Wie kann man sich dieses Leben vorstellen? Wie gestalten die Menschen ihr Leben, was sind ihre Feste? Worauf hoffen sie, was sind ihre Sorgen? Wer oder was bestimmt ihr Leben, welche Erfahrungen sind ihnen wichtig?
Unsere westliche Lebenserfahrung liegt viel zu weit von diesem Leben entfernt. Oder doch nicht? Bedeuten die Worte »Arbeit«, »Liebe«, »Streit«, »Glauben« dasselbe? Oder das Gleiche? Gibt es überhaupt diese Wörter in beiden Kulturen?
Und für mich: Wie kann ich dieses Leben fotografieren, ohne aufdringlich oder neugierig zu sein? distanzlos? respektlos?
Ein junger Mann, kaum von der Umgebung zu unterscheiden, klettert aus dem Brennofen, nachdem er die gebrannten Schalen heraus gereicht hat.
Das vielfältige, lebendige Grün der Schalen, einzigartig, ein Wahrzeichen dieser Gegend.
In Amezrou findet man in der Kasbah eine Synagoge, die nicht mehr aktiv ist. Sie wurde mit Mitteln der UNESCO wie viele Gebäude der Kasbah renoviert und restauriert. Lehm ist sehr vergänglich, und am Ende bleibt vom Dorf nur noch ein flacher Hügel – wenn man nicht kontinuierlich die Gebäude schützt.
Und ach dies: Es gab wohl eine Zeit, in der die Menschen ohne Hass miteinander leben konnten.
Perspektive und Ausschnitt, ein Schlüssel zum Verstehen
Was lesen wir im Gesicht?
Wohin geht sein Blick?
Der Vergangenheit eine Zukunft geben!
Aus welchem Blickwinkel sieht sie die Welt? Was befindet sich hinter der Mauer?
Was ist das? Seit wann liegt der ägyptische Tempel von Karnak mit seinen grandiosen Säulen in Süd-Marokko?
Seit 1983! In diesem Jahr wurden die Atlas-Studios nahe Ouarzazate gegründet. Mittlerweile wurden viele erfolgreiche und auch qualitätsvolle Filme gedreht, neben den unvermeidlichen Wüsten-Monumental-Monsterfilmen. Und wie in Hollywood kann man in den alten Kulissen spazieren gehen und die Papp-Pracht der Sets betrachten. Aber ohne Licht sehen sie billig aus.
Das ist unser Guide, der aus seiner Führung eine persönliche Show macht und einen 52 Sek.-Clip dreht, ohne Probe! Es war eindrücklich.
Das ist eine Kulisse: Das ist nicht Betlehem, sondern ein nachgebautes Papp- und Lehm-Set in einem der Atlas-Studios in der Nähe von Ouarazate.
Und das sieht aus wie Ait-Ben-Haddu, ein befestigtes Dörfchen Stadt am Fuße des Hohen Atlas in der Provinz Ouarzazate im Südosten Marokkos, was ja auch stimmt. Aber es war auch immer wieder Kulisse von verschiedenen Monumentalproduktionen:
Auf der Jagd nach dem Juwel vom Nil
James Bond 007 – Der Hauch des Todes
Die letzte Versuchung Christi
Himmel über der Wüste
Land der schwarzen Sonne
Kundun
Der Legionär
Die Mumie
Gladiator
Black Hawk Down
und viele andere.
Und es wird von seinen Bewohnern verlassen, weil das Leben in den Lehmhäusern zu beschwerlich ist. Da helfen auch keine romantischen Gedanken.
Das ist die Kirche St. Thérèse in Quarzazate – ja, genau, die Kirche, deren Hinweisschild ich vor einigen Tage auf der Fahrt in die Wüste entdeckte, die ich aber aus Zeitmangel nicht mehr besuchen konnte. Jetzt aber, bei unserem 2. Stopp, klappt es. Mich machen zunächst die vier Polizisten stutzig, die vor der Kirche postiert sind. Ist es in Marokko notwendig, Kirchen und ihre Besucher zu schützen? Unsere Guides haben bisher immer von einem guten Zusammenleben der Menschen berichtet, was man ja gerne so sehen wollte. Die Polizisten vor der Kirche sagen etwas anderes.
Das ist Sr. Rehema, die die Tür zum Kirchhof öffnet. In großer Herzlichkeit zeigt sie die Kirche und ihre Einrichtung und den kleinen Laden, in dem sie Handarbeiten verkauft. Leider ist auch diesmal wieder die Zeit viel zu kurz, um tiefer ins Gespräch zu kommen, ein Gespräch über den Glauben als Christin in einer muslimischen Welt.
Meine Recherche hat ergeben, dass das Leben der Christen in Marokko schwierig ist, um es vorsichtig auszudrücken. Es gibt historische Ereignisse, die das Klima vergifteten, und in der Gegenwart erlebt man in vielen Bereichen eine Radikalisierung.
Auch diese Erfahrung gehört zur Rundreise durch Marokko.
Die Passstraße über den Tizi n’Test-Pass gehört zu den schönsten Bergstrecken in Marokko. Ach was, das ist total untertrieben. Man kommt nicht aus dem Staunen heraus: Über die raffinierte Streckenführung, über die an den Hang geklebten Lehmhäuser, über die Farben und Formen der Gesteinsschichten, die Sinfonie der Braun-, Blau- und Grüntöne der Landschaft. Es scheint fast, als ob ein Impressionist gemalt habe,
hier in der blauen Phase
und ab hier in Braun
und weiß,
hier experimentiert der Maler – oder war es eine Malerin? – mit ocker, beige und grün,
Natürlich ist es paradox, zu Beginn eines (Foto)Blogs ein Foto zu stellen, das in seinem Text auffordert, keine Fotos zu machen. Aber es drückt den Zwiespalt aus, den ich beim Nachdenken über Marrakesch empfinde.
Die Stadt ist ein Moloch – die Stadt ist ein Märchen.
Lebensraum der Bewohner, Sehnsuchtsort der Touristen, ein Tsunami an Geräuschen, Gerüchen, an Farben, Zusammenprall von Vergangenheit und Gegenwart, Mittelalter und Technik, Mythos und Realität, Marketing und Alltagsleben.
Man kann sich kein festes Bild machen, und doch passiert es ständig. Also lebe ich damit: Alle Bilder sind vorläufig, subjektiv, angreifbar, falsch und treffend zugleich.
Die folgenden Bilder zeigen Handwerker, die für die einfachen Leute Gebrauchsgegenstände herstellen. Das sieht alles romantisch aus, »ursprünglich«, wie der Reiseführer sagt, ist es aber nicht. Knochenarbeit steckt dahinter.
Ein Ruhepunkt könnte die Medersa Ben Yussef sein! Nein: zu viele Selfie-verliebte Gäste. Doch zum Glück ist die von Grund auf renovierte Medersa groß genug, dass man einen ruhigen Platz finden kann, um die unzähligen Ornamente an den Wänden zu bestaunen, in ihrer Vielfalt und Schönheit und um seine Gedanken in die Zeit schweifen zu lassen, in der hier Jungen, – keine Mädchen! – lebten und lernten.
Mitten in der Medina und doch abseits der Hauptströme der Touristen finden man mit Google Maps Hilfe zwei feine Museen:
Musée de la Femme, das Künstlerinnen Ausstellungsmöglichkeiten bietet und Fragen nach der Gleichberechtigung auf künstlerische Weise stellt, das ich leider mocht sehen konnte; und das grandiose Maison de la Photographie de Marrakech, das eines der Highlights der Stadt darstellte. Wie fotografierte man damals eine unbekannte, exotische Welt? Die Ausstellung gibt viele Anregungen und den Wusch, länger und mit mehr Zeit in der Stadt zu sein und die Menschen zu porträtieren, von innen heraus, wenn man so sagen kann.
Das Museum of the Water Civilization in Morocco, errichtet in Zusammenarbeit mit der UNESCO, stellt an sich und die Gäste recht hohe Ansprüche, wenn es die Problematik der Wasserversorgung in Marokko demonstrieren möchte. Die verschiedenen Themenbereiche werden anschaulich und museumspädagogisch sehr gut umgesetzt. Schautafeln, Video-Clips, Modelle und Exponate zeigen das Ringen der Bevölkerung um eine gerechte Wasserverteilung und Wasserwirtschaft überhaupt. Technische, biologische und juristische Sachverhalte werden anschaulich dargestellt.
Und man zeigt die Problematik des Klimawandels und die riesigen Aufgaben, vor denen die Welt steht und was zu wenige als Aufgaben erkannt haben. Noch immer haben die »Weiter-soer« das Sagen.
Dazwischen aber schleichen sich Fragen ein:
Warum sind keine weiteren Besucher im Museum – wenn man von einer Klasse mit sehr jungen Schülerinnen und Schülern absieht?
Warum sind die Daten nicht aktuell?
Warum funktionieren viele Video-Stationen nicht korrekt?
Was man im Museum wahrnimmt: Wir leben in einer Übergangswelt, einer »Zwischenwelt«, mit allen Ängsten und Sorgen: Das Alte ist obsolet, das Neue noch nicht klar. Weiter so geht gar nicht.
Der Blick vom Museum ins Freie, wie durch einen ein Gletschermund, von innen. Viele der Gletscher sind schon verschwunden.
Das ist ein Blick in die Frauencooperative »Arganomade« in der Nähe von Essaouira und zeigt Frauen bei der Gewinnung des Argan-Öls, das für teures Geld verkauft wird
Frauenkooperative in einem islamischen Land? Geht das wirklich? Oder sind doch die Männer im Hintergrund, die die wesentlichen Vorgänge im Blick haben?
Ich weiß es nicht und ich wünsche mir, dass meine Fragen überflüssig sind. (Ich weiß aber von Zeiten in Deutschland, in denen die Frauen auch bei uns nicht voll geschäftsfähig waren. 1977!) So lange ist es nicht her.
Die Fahrten auf dieser Reise sind immer Verbindungen: zwischen dem Bekannten und dem Neuen, zwischen Aufbrechen und Ankommen, gestern und heute. Das Ziel auf unsrer Reise ist touristisch gut erschlossen, aber dennoch bleibt immer ein kleiner Rest von Unsicherheit.
Wir können etwas erfahren! Er-Fahren: Unterwegs sein, das Erlebte verstehen; aber auch: durchmachen, erleiden.
Und dann kommt man an, erreicht eine Grenze, hinter der Indien liegt, oder Amerika oder was auch immer.
Der schönste Namen der Stadt ist As Sawira – »Welche schönes Bild«! Gemeint sind die Farben, die Menschen, die Gerüche, die Geschichten, die sich beobachten lassen.
Der Fischmarkt am späten Vormittag ist großes Kino in Cinemascope, unterlegt mit Musik, die auch bei den Donaueschinger Musiktagen gespielt werden könnte, ein Konzert für menschliche Stimmen, Wind, Möwengeschrei und Meeresrauschen.
Die Schiffe werden entladen,
die Kleinhändler kaufen den Vorrat für den Tag. Es ist Leben im Überfluss, zumindest, wenn man genug Dirhan in der Tasche hat.
Was man alles sehen kann:
ein Fahrrad mit Kreativ-Sattel
eine Katze aus 1001 Nacht, die hoch über der Straße auf der Mauer balanciert
ein Betteljunge, der ein Päckchen Tempos verkaufen will und einen Tanz vollführt, bei dem er auch das Schlagzeug imitiert
eine Touristin, die im Café sitzend eine Katze wie ein Kind im Arm hält
ein junger Marokkaner, der einem Europäer mit Kreislaufproblemen ganz selbstverständlich unterstützend die Hand reicht
herausgeputze Mädchen, die über die Straße schweben
große Karren mit frischen Erdbeeren
ein Mann mit einer Lampe, die er wie ein Minensuchgerät vor sich her trägt.
Bettler, die tatsächlich ein paar Dirhan bekommen
eine tote Ratte
völlig unangemessen gekleidete Touristen
ein Gasverkäufer mit Karren, der auf seinem Handy daddelt
zwei Jungen, die auf dem Fahrrad Akrobatik treiben
eine Frau in verwinkelten jüdischen Viertel, die ungefragt den richtigen Weg weist
1001 Nacht am Tag
Im ehemaligen jüdischen Viertel liegt die Synagoge »Slat Lkahal« oder »Rabbi Haïm Pinto«, vorzüglich renoviert und von Polizei bewacht, betreut von einer muslimischen Frau, die die Besucher nach einiger Zeit der Besichtigung aus Gotteshaus herausbittet, damit sie zu Hause rechtzeitig das Mahl fürs Fastenbrechen zubereiten kann. Das Zusammenleben der Religionen scheint in Marokko funktioniert zu haben. Und gegenwärtig unterstützt das Königshaus das nationale Erbe.
Aufgeschlagen auf dem Lesepult der Synagoge, der Bima, liegt die Thora mit dem Lied vom Anfang der Welt, das die Schönheit der Schöpfung beschreibt und die Welt als Geschenk Gottes preist.
Immer wieder taucht die Frage auf, wie die Völker und Nationen zusammenleben können. Wir sehen hier in Essauoira die vielen Farben des Lebens, wir lassen uns verzaubern von einer fernen nahen Welt. Und wir hören mit Schrecken von den Bestialitäten, die im Namen von Ideologien an den jungen Männern und Frauen, an Alten und Kindern begangen werden, um Ehre und Ansehen wiederherzustellen oder aus sonstigen absurden Gründen, angeordnet von Herrschern, die verurteilte Verbrecher sind, gegen die Haftbefehle vorliegen oder die offen die Gesetze des Landes missachten und die Würde der Menschen mit den Füßen treten.
Eine Möwe ist keine Taube, nein, aber den Frieden verkünden kann sie allemal. Hier in Essaouira kann man die Farbe des Friedens lernen.
Bayt Dakira oder das Haus der Erinnerung ist ein Museum über das Zusammenleben von Juden und Moslem in der Stadt, das in den vergangenen Jahrhunderten vergleichsweise gut funktioniert hat. Immer, wenn wirtschaftliche Interessen und persönliche Beziehungen funktionierten, konnte man die Grenzen überschreiten. Durch seine Ausstellung seltener Objekte, Texte und Fotografien versucht das Museum, die Koexistenz zwischen Muslimen und Juden in der Stadt zu zeigen.
Die Besucher werden durch den Ausdruck »Shalom Aleykoum«, »Salam Lekoulam« begrüßt, der eine Mischung aus Arabisch und Hebräisch ist, um die Freundschaft zwischen Juden und Muslimen zu veranschaulichen.
Eine hebräische Bibel neben einem Koran, ein visionäres Bild.
Und was zeigt dieser Baum an seiner Spitze? Ist das nicht eine Davidsstern? Oder eine Täuschung? Oder ein »Hineinsehen«? Mir gefällt es. Auf die Idee muss man erst mal kommen.
Der Traum vom Fliegen: mit dem Wind spielen, ihn für sich arbeiten lassen. Das kann die Möwe.
Der Traum vom Fliegen: für ein paar Sekunden. Dann ist die Grenze erreicht. Der Mönch am Meer macht seine Reise im Innern.
Auch ein Abschied. Der Gedanke an das Ende der Reise sickert in den Tag, beim Besichtigen, beim Schlendern und Schauen. Die Freude über eine schöne Reise vermischt sich mit Wehmut und Trauer.